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Die Hintergründe
 

Vor Jahren war unsere Familie mit einem Mann eng befreundet. Unsere Beziehung war herzlich, und wir verstanden uns gut. Er besuchte uns fast täglich. Eines Abends erzählte er uns, er stehe im Verdacht, sexuelle Handlungen an einem Kind vorgenommen zu haben. Wir waren fassungslos und konnten es nicht glauben. Erst damals gestand er uns seine Pädophilie.
Sylvia Tanner †, Mitgründerin ITP

Er sorgte sich vor allem um die Kinder, die durch die Polizei befragt werden würden. Drei Tage später wurde er verhaftet. Dies muss für ihn besonders schlimm gewesen sein. Er hatte also nicht nur seine Freiheit für eine gewisse Zeit verloren, sondern auch dauerhaft seine berufliche Existenz als ausserordentlich begabter und beliebter Lehrer. Kurz darauf nahm er sich das Leben.

T. hatte keine sexuellen Kontakte zu unseren Söhnen gesucht. Sie mochten ihn sehr und fühlten sich wohl in seiner Nähe.

Ich habe T.'s Freitod (wie "frei" war der eigentlich?) zum Anlass genommen, mich mit der Problematik von Pädophilen intensiv zu befassen. Schliesslich passte er in keines der bekannten Klischees, die auch ich von diesen Menschen im Kopf hatte (etwa der böse Mann, der sich ein Kind vom Spielplatz holt und es dann vergewaltigt usw.). Über zwei Jahre befasste ich mich mit dieser Thematik mittels ausländischer Literatur, Studien, Diskussionen mit Psychologen, Betroffenen, deren Angehörigen und mit Erwachsenen, die als Kinder eine Beziehung zu einem Mann hatten. Dabei fiel mir auf, dass die meisten Pädophilen Knaben lieben und dass es bei Mädchen meist durch ihre heterosexuellen Väter zu sexuellen Übergriffen kommt.

Inzwischen habe ich mich mittels Seminaren, Tagungen, Vorträgen, Workshops, neuer Studien und Fachliteratur, die mir meist automatisch zugestellt werden, permanent weiter gebildet und werde damit auch nie aufhören.

Ein pädophiles Empfinden entsteht nicht durch eigenes Zutun, sondern ist durch die individuelle Biographie bedingt. Niemand hat die Möglichkeit, sich seine sexuelle Orientierung auszusuchen. Dies gilt auch für Pädophile. Die Vorstellung, diese Veranlagung "heilen" zu können, ist nach heutiger Erkenntnis falsch. Pädophilie an sich ist ja auch keine Krankheit. Jedoch kann die Lebenssituation vieler (wohl der meisten) Pädophilen pathogen sein. In der Regel sind es aussergewöhnlich sensible Menschen und unfähig, physische Gewalt anzuwenden. (Kranke Triebtäter wird es auch unter ihnen geben).

In einer solchen Lebenslage benötigen pädophile Männer Hilfe zum psychischen Überleben. Deshalb habe ich eine Beratungsstelle für Pädosexualität gegründet. Diese Beratungsstelle will Menschen helfen, ohne sie zu therapieren, denn dafür bin ich nicht ausgebildet.

Welche Konsequenzen es für einen Betroffenen haben kann, wenn er sein pädophiles Empfinden bei sich entdeckt, soll im folgenden Abschnitt aufgelistet werden:

* Angst vor dem Geoutetwerden, vor sozialer Ächtung, vor Verfolgung durch die Justiz (selbst bei Pädophilen, die gar keine sexuellen Kontakte zu Kindern haben und auch keine einschlägige Pornographie besitzen)
* Vereinsamung, weil man sich wegen der Angst zurückzieht, weil man mit niemandem über seine Empfindungen sprechen kann, weil ein Offenbaren der eigenen sexuellen Identität mit Gefahr verbunden ist
* Schuldgefühle, weil jeder Mensch die Ursachen für seine Probleme zuerst bei sich selbst sucht
* Abneigung gegenüber dem eigenen Körper, weil diesem alle Schuld zugewiesen wird
* Hassgefühle gegenüber sich selbst, weil man alle gesellschaftlichen Vorurteile und Klischees internalisiert hat und den Spagat zwischen angestrebter Integration und sich vollziehender Ausgrenzung nicht schafft
* Verlust der sozialen Stellung, weil man viel zu viele Probleme hat, als dass man sich um sein Einkommen und seine Karriere kümmern könnte, weil man zum "Geächteten" wird, wenn die sexuelle Orientierung bekannt wird
* Suizidgedanken, weil man zerstören will, was alle hassen, weil man nicht in einer Welt leben kann, die einen zum Selbsthass zwingt

Die meisten Pädophilen, die zu mir in die Beratung kommen, haben keinerlei sexuelle Kontakte zu Kindern. Sie leben ihre Sexualität zumeist ganz in ihrer Phantasie. Obwohl also in der Regel niemand von ihrer pädophilen Identität weiss und sie durch die Justiz gar nicht gefährdet sind, leiden sie unter der gesellschaftlichen Ächtung ihres Empfindens. Manche Pädophilen scheinen geradezu zu glauben, sie hätten auf der Stirn "Ich bin pädophil!" stehen.

Die besondere Situation der betroffenen Ratsuchenden verlangt einen individuellen Beratungsansatz. Der pädophile Mensch soll befähigt werden, mit seiner sexuellen Orientierung zu leben, eine echte sexuelle Identität entwickeln. Denn nur ein psychisch stabiler Pädophiler ist in der Lage, einen angemessenen Umgang mit seiner Sexualität zu pflegen. Hierbei ist besonders wichtig, folgendes zu ermöglichen:

* Akzeptanz der sexuellen Orientierung des Ratsuchenden
* Auf den Ratsuchenden zugehen ("klientenzentriertes Gespräch"), ihn also "da abholen, wo er steht"
* Aufklärung über mögliche Folgen beim Kind oder Jugendlichen im Falle einer sexuellen Handlung
* Aufklärung über eigene mögliche Folgen (juristische und psychische) im Falle sexueller Kontakte
* Hilfe beim Coming-out
* Sensibilisierung für die Signale der Kinder, um Zurückhaltung in der Beziehung mit dem Kind zu erreichen, auch dann, wenn er sehr verliebt ist
* Vermittlung an einen geeigneten Psychotherapeuten, falls dies nötig ist
* Hilfe zur richtigen Berufswahl, eventuell Umschulung
* Unterstützung und Ermunterung bei speziellen Begabungen

Falls es trotz allem zu Strafhandlungen kommen sollte:

* Moralische Unterstützung während einer eventuellen Untersuchungshaft
* Suche nach einem geeigneten Rechtsanwalt, falls dies nötig ist
* Betreuung nach der U-Haft-Entlassung bis zur Gerichtsverhandlung
* Begleitung zur Gerichtsverhandlung oder bei Vorladungen zu Disziplinarverfahren

An dieser Stelle ist es notwendig, etwas klarzustellen. Jeder Mensch hat ein Recht auf seine sexuelle Identität. Dies gilt natürlich auch für Pädophile. Doch niemand hat ein Recht auf sexuelle Kontakte mit einem anderen Menschen, wenn dieser sie nicht will. Auch dies gilt im gleichen Masse für Pädophile. Die Tatsache, dass Kinder sexuelle Wesen sind, ändert hieran nichts. Schliesslich sind ja auch Frauen sexuelle Wesen, und kein heterosexueller Mann kann daraus irgendwelche Rechte herleiten.

Mein Angebot richtet sich jedoch nicht nur an Pädophile selbst. Vielmehr versuche ich auch, zum Beispiel Eltern zu helfen, deren Kinder eine Beziehung zu einem pädophilen Mann haben. Ich kläre auf über mögliche Traumatisierungen (sog. "Sekundärschäden") des Kindes im Fall einer vorschnellen Anzeige. Ich informiere darüber, dass die meisten Pädophilen ihre Sexualität ausschliesslich in ihrer Phantasie leben und auf sexuelle Kontakte zu Kindern verzichten.

Ich berate auch Angehörige von Betroffenen, damit die Beziehungen zwischen den Eltern und Geschwistern und dem Pädophilen nach einem evtl. Outing nicht belastet wird. Betroffene oder interessierte Drittpersonen (Erzieher, Lehrer, Schulbehörden usw.) können ebenfalls mit meiner Hilfe rechnen.

Das Klischee vom "Sexmonster" ist allgegenwärtig. Ich versuche dieses Vorurteil abzubauen.

Die Beratungsstelle vermittelt, verkauft oder verleiht keinerlei Videos, Pädophilenliteratur, Pädophilenzeitschriften oder Fotos!

Meine Arbeit erfordert permanente Weiterbildung, vorwiegend durch ausländische Studien und durch den Kontakt mit deutschen Sexualforschern wegen fehlender Forschung in der Schweiz zu dieser speziellen Problematik. Zusätzlich erfolgt eine regelmässige Überwachung meiner Tätigkeit durch einen ausgebildeten Supervisor. Je nach Bedarf stehen auch zwei Psychologen, ein Psychiater und ein Kinderpsychologe hilfreich zur Verfügung. Alle diese Fachleute unterstützen mich ehrenamtlich, dafür danke ich ihnen herzlich.